Krankheit und Urlaub

Auswirkung einer langen arbeitsunfähigen Erkrankung auf den Urlaubsanspruch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern

Welche Auswirkung hat eine lange Erkrankung auf meinen Urlaubsanspruch?

Wenn ich lange Zeit krank bin, was passiert dann mit meinem Urlaubsanspruch? Dies haben sich schon einige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gefragt, die krankheitsbedingt über viele Monate, manchmal Jahre hinweg arbeitsunfähig erkrankt waren. Kann vielleicht für die zurückliegenden Jahre noch der Urlaub oder eine Urlaubsabgeltung verlangt werden?

Grundsätzlich hat jeder Arbeitnehmer einen Anspruch auf Urlaub. Dies gilt selbst dann, wenn ein Arbeitnehmer mal ein ganzes Jahr lang arbeitsunfähigt erkrankt war. Den Urlaub kann der Arbeitnehmer dann zwar in dem Jahr nicht „nehmen“, also geltend machen, solange er noch arbeitsunfähig erkrankt ist.

Früher haben Arbeitsgerichte angenommen, dass der Urlaub, der aufgrund längerer Krankheit in einem Kalenderjahr nicht genommen werden konnte, auf das nächste Kalenderjahr überging und dann aber bis zum 31. März dieses Folgejahres genommen werden musste, anspnsten würde er verfallen. Der Vorjahresurlaub ging somit mit Ablauf des 1. Quartals des Folgejahres unter und verfiel.

Wenn also ein Arbeitnehmer das ganze Jahr 2020 arbeitsunfähig erkrankt war, so hätte man früher gesagt, dass er seinen Urlaubsanspruch für 2020 mit Ablauf des 31. März 2021 verlieren würde. Wenn er bis zum 31. März nicht wieder gesund geworden wäre, so hätte er außerdem seinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung (also Geld für den nicht genommenen Urlaub) verloren.

Die fand der Europäische Gerichtshof (EuGH) nicht in Ordnung. In seiner Entscheidung aus dem Jahre 2009 (Urteil vom 20.01.2009, Az. C-350/06), welche als „Schulz-Hoff-Urteil“ bekannt wurde, lehnte der EuGH die bis dahin in Deutschland geübte Praxis als europarechtswidrig ab.

Seit der EuGH-Entscheidung können Arbeitnehmer, die lange Zeit arbeitsunfähig erkrankt sind, ihren sich aus den Vorjahren ergebenden und während der langen Krankheit nicht genommenen Urlaub als Resturlaub verlangen, sobald sie wieder genesen sind. (Dies soll aber nicht zeitlich unbegrenzt gelten!)

Wenn etwa ein Arbeitnehmer nach langer Krankheit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden möchte, kann er grundsätzlich für die Zeiten, die ihm ein Urlaubsanspruch zustand, welchen er jedoch aufgrund der arbeitsunfähigen Erkrankung nicht nehmen konnte, eine Urlaubsabgeltung verlangen.

Zeitliche Grenzen für Urlaubsansprüche

Da das „Schulz-Hoff-Urteil“ viele Arbeitgeber sehr hart getroffen hatte, hat der EuGH in einem späteren Urteil aus dem Jahre 2011 (Urteil vom 07.07.2011, Az. C-214/10) klargestellt, dass es zeitliche Grenzen geben kann, dass es also keine zeitlich unbeschränkte Aufrechterhaltung von Urlaubsansprüchen zu Gunsten von langzeiterkrankten Arbeitnehmern geben muss.

Infolge der Entscheidung des EuGH aus dem Jahre 2011 können etwa Tarifverträge Übertragungsregelungen für den Urlaub bei langer Krankheit vorsehen, die zu einem Verfall von Urlaubsansprüchen nach 15 Monaten führen können.

Da es in Deutschland keine gesetzliche Regelung zu einer Begrenzung (z.B. im Bundesurlaubsgesetz, BUrlG) gibt, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer Entscheidung (Urteil vom 07.08.2021, Az. 9 AZR 353/10) klargestellt, dass ein Urlaubsanspruch bei langer arbeitsunfähiger Erkrankung grundsätzlich 15 Monate nach dem Ablauf des Jahres, in dem der Urlaub wegen der Krankheit nicht genommen werden konnte verfällt.

Wenn Sie Fragen zu dem Thema lange arbeitsunfähige Erkrankung und Urlaub haben, können Sie sich gerne an die Kündigungsschutzanwälte Seume & Kollegen in Bürogemeinschaft wenden.