Keine Verjährung von Urlaubsansprüchen?


Im Folgenden möchten Sie die Kündigungsschutzanwälte Seume & Kollegen in Bürogemeinschaft über eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) (Urt. v. 20.12.2022, Az.: 9 AZR 266/20 = PM Nr. 48/22 des BAG) informieren.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seinem Urteil vom 20.12.2022 (Az.: 9 AZR 266/20 = PM Nr. 48/22 des BAG) über die Frage entschieden, ob eine Verjährungsfrist von Urlaubsansprüchen eintritt, wenn ein vorheriger Hinweis des Arbeitgebers ausgeblieben ist.

Die Klägerin war als Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin bei dem Beklagten vom 01.11.1996 bis 31.07.2017 angestellt. Mit ihrer Klage vom 06.02.2018 verlangte die Klägerin die Abgeltung von 101 Urlaubstagen. Der Beklagte argumentierte, dass diese Urlaubsansprüche der Klägerin verjährt seien. Außerdem habe sich die Rechtsprechung erst nach Beeindigung des Arbeitsverhälnisses geändert, wodurch er seine Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten nicht kennen oder befolgen konnte.

In der ersten Instanz hatte das Arbeitsgericht Solingen den Beklagten zur Abgeltung des Urlaubs aus dem Jahre 2017 verurteilt (Urt. v. 19.2.2019, Az.: 3 Ca 155/18). Die Klägerin ging daraufhin in Berufung. Die zweite Instanz, das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatte den Beklagten dann zur Abgeltung der Urlaubstage von 2013 bis 2016 in Geld verurteilt, insgesamt 17.376,64 Euro (Urt. v. 21.2.2020, Az.: 10 Sa 180/19). Daraufhin ging der Beklagte in Revision.

Der BAG hatte nun dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) diesen Fall vorgelegt. Dieser sollte nun prüfen, ob eine Verjährungsfrist von drei Jahren mit europäischen Richtlinien vereinbar ist, wenn der Arbeitgeber seiner Hinweis- und Aufforderungsobliegenheit nicht nachgekommen ist.

Nach deutschem Recht verjährt ein Anspruch grundsätzlich nach drei Jahren (§ 195 BGB). Zudem beginnt die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres in dem er entstanden ist und der Schuldner Kenntnis von den anspruchbegründenen Umständen hat (§ 199 Abs.1 BGB). Es ist somit keine sog. „positive Rechtsfolgenkenntnis“ erforderlich. Hiernach würde die Verjährung von Urlaubsansprüchen auch ohne vorherigen Hinweis beginnen und die vorliegenden Urlaubsansprüche von vor über drei Jahren wären daher verjährt.

Der EuGH kam aber zu dem Ergebnis, dass der Arbeitgeber zwar ein berechtigtes Interesse daran habe, nicht mit etlichen Urlaubsanträgen konfrontiert zu werden. Allerdings trete dieses Interesse dann zurück, wenn der Arbeitgeber versäumt habe, den Arbeitnehmer durch Hinweis oder Aufforderung in die Lage versetzt zu haben, den Urlaub tatsächlich wahrzunehmen.

Der BAG entschied dahingehend, dass die Frist mit dem Ende des Kalenderjahres beginnt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über den Urlaubsanspruch und die Verfallsfristen informiert und belehrt hat und der Arbeitnehmer dennoch keinen Urlaub genommen hat. Mit anderen Worten: Der BAG hat die Vorgaben des EuGH umgesetzt, nach welchen der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer der Rechtssicherheit vorgeht.

Die Frage, ob die Geltendmachung von Urlaubsansprüchen, die lange zurückliegen, anderen Kriterien unterliegt, blieb vorerst noch offen. Eindeutig ist, dass das deutsche Arbeitsrecht immer mehr durch das europäische Recht geprägt wird und diese Entscheidung wohl noch große Auswirkungen auf den folgenden Entscheidungsverlauf haben wird.

Wenn Sie arbeitsrechtliche Fragen haben, können Sie sich gerne an einen Anwalt für Arbeitsrecht wenden. Die Kündigungsschutzanwälte Seume & Kollegen in Bürogemeinschaft helfen Ihnen gerne weiter. Rufen Sie uns gerne an!