Mindestlohn im Yoga-Ashram?


Im Folgenden möchten Sie die Kündigungsschutzanwälte Seume & Kollegen in Bürogemeinschaft über eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zum Thema Arbeitnehmereigenschaft und Mindestlohn in einem Yoga-Ashram informieren (BAG, Entscheidung vom 25.04.2023, Az.: 9 AZR 253/22).

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) musste sich in seiner Entscheidung vom 25.04.2023 (Az.: 9 AZR 253/22) mit der Frage befassen, ob jemand, der bestimmte Tätigkeiten in einem Yoga-Ashram durchführt als Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer einzustufen ist und ob dieser Person dann der gesetzliche Mindestlohn zusteht.

Geklagt worden war gegen einen gemeinnütziger Verein. Nach dessen Satzung war der Zweck des Vereins die „Volksbildung durch die Verbreitung des WIssens, der Lehre, der Übungen und der Techniken des Yoga und verwandter Disziplinen sowie die Förderung der Religion“. Um diesen Zweck zu erreichen, betrieb der Verein Einrichtungen, in welchen verschiedene Kurse, Workshops und Seminare, Veranstaltungen und Vorträge zu Yoga und ähnlichem durchgeführt wurden. In den Einrichtungen gab es so genannte Sevaka-Gemeinschaften. Unter Sevakas versteht man Vereinsangehörige, welche in indischer Ashram und Klostertradition zusammenleben und welche ihr Leben völlig der Übung und Verbreitung von der Yoga Vidya Lehre widmen. Aufgrund ihrer Mitgliedschaft im Verein sind sie dabei verpflichtet, nach Weisung ihrer Vorgesetzten sog. Sevazeit zu leisten. Darunter wurde verstanden, dass bestimmte Tätigkeiten, etwa in der Küche, im Garten, Gebäudeunterhaltung, Werbung, Buchhaltung sowie die Durchführung von Yogaunterricht und die Leitung von Seminaren durchzuführen. Dafür stellte der Verein den Sevas Unterkunft und Verpflegung zur Verfügung und zahlte ein monatliches Taschengeld von bis zu 390,- €. Bei Führungsverantwortung wurden bis zu 180,- € zusätzlich gezahlt. Die Sevkas sind gesetzlich kranken-, arbeitslosen-, renten- und pflegeversichert. Auch erhalten sie eune zusätzliche Altersversorgung.

Eine Volljuristin lebte in der Zeit vom 01.03.2012 bis zu, Ende ihrer Vereinsmitgliedschaft am 30.06.2020 als Sekava im Yoga-Ashram. Dort leistete sie während ihrer Sevazeit verschiedene Arbeiten.

Die Volljuristin war nun der Meinung, dass zwischen ihr und dem Verein ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Da in Deutschland nach dem sog. Mindestlohngesetz (MiLoG) Arbeitgeber ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wenigstens den Mindestlohn zahlen muss, war die Volljuristin davon überzeugt, dass ihr zumindest dieser gezahlt werden müsse. Sie verklagte daher den Verein vor dem Arbeitsgericht und verlangte für die Zeit ab dem 01.01.2017 auf der Grundlage der vertraglich vereinbarten Regelarbeitszeit von 42 Wochenstunden gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 46.118,54 €.

Dagegen wandte der Verein ein, es hätte gar kein Arbeitsverhältnis bestanden. Vielmehr habe die Volljuristin gemeinnützige Sevadienste als Mitglied einer hinduistischen Ashramgemeinschaft geleistet. Der Verein berief sich dabei auf die Religionsfreiheit. Nach Auffassung des Vereins würde es die Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) sowie das Selbstbestimmungsrecht aus Art. 140 GG iVm. Art. 137 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) ermöglichen, eine gestliche Lebensgemeinschaft zu schaffen, in welcher die Mitglieder außerhalb eines Arbeitsverhältnisses gemeinnützigen Dienst an der Gesellschaft leisten.

Das Arbeitsgericht gab der Volljuristin Recht. Dagegen wandte sich der Verein mit einer Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG). Die LAG wiederum hat auf die Berufung des Verins hin die Klage der Volljuristin abgewiesen. Daher wandte sich die Volljuristin mit einer Revision an das BAG.

Vor dem BAG hatte die Klägerin nun mit ihrer Revision Erfolg. Das BAG ist der Auffassung, dass die Volljuritin bei dem Verein als Arbeitnehmerin einzuordnen war. Somit hatte sie auch für den entsprechenden Zeitraum einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Dabei berief sich das BAG auf die Vorschriften § 1 Abs. 1 iVm. § 22 Abs. 1 Satz 1 MiLoG. Das BAG führte aus, dass die Klägerin vertraglich zu den Sevadiensten und damit im Sinne der Vorschrift des § 611a Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet.

Nach Überzeugung des BAG stand der Arbeitnehmereigenschaft der Volljuristin bei dem Verein auch weder die besonderen Gestaltungsrecht von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften noch die Vereinsautonomie nach Art. 9 Abs. 1 GG entgegen.

Der Verein war demnach weder Religions- noch Weltanschauungsgemeinschaft. Nach dem BAG fehlt es dafür am erforderlichen Mindestmaß an Systembildung und Weltdeutung. Ein systematisches Gesamtgefüge religiöser bzw. weltanschaulicher Elemente und deren innerer Zusammenhang mit der Yoga Vida Lehre ist nicht hinreichend erkennbar, da der Verein sich in seiner Satzung unter anderem auf verschiedene Weisheitslehren, Philosopien und Praktiken aus Indien und anderen östlichen und westlichen Kulturen sowie auf spirituelle Praktiken aus Buddhismus, Hinduismus, Christentum Taoismus und anderen Weltreligionen bezog.

Das BAG merkte noch an, dass auch die grundgesetzlich geschützte Vereinsautonomie die Erbringung fremdbestimmter, weisungsgebundener Arbeitsleitstung in persönlicher Abhängigkeit außerhalb eines Arbeitsverhältnisses allenfalls dann erlauben würde, wenn zwingende arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen nicht umgangen würden. Zu diesen zähle unter anderem eine Vergütungszusage, welche den allgemeinen gesetzlichen Mindeslohn garantiere, auf welchen Kost und Logis nicht anzurechnen seien. Denn der Mindestlohn bezwecke die Existenzsicherung durch Arbeitseinkommen als Ausdruck der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG).

Letzlich konnte das BAG auf Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht abschließend über die Höhe des Mindestlohnanspruchs der Volljuristin entscheiden und hat daher den Rechtsstreit wieder an das LAG zurückverwiesen.

Wenn Sie arbeitsrechtliche Fragen haben, können Sie sich gerne an einen Anwalt für Arbeitsrecht wenden. Die Kündigungsschutzanwälte Seume & Kollegen in Bürogemeinschaft helfen Ihnen gerne weiter. Rufen Sie uns gerne an!